Selbstwert – Eine Annäherung
In meinem heutigen Blog versuche ich mich dem Begriff “Selbstwert” anzunähern. Außerdem mache ich mir Gedanken über die Rolle der Digitalisierung. Abrunden möchte ich das Ganze mit der Geschichte: “Der wahre Wert des Rings”.
Wie definierst du Selbstwertgefühl? Die meisten Menschen bringen mit dem Begriff Anerkennung oder Leistung in Zusammenhang. Denn in unserem Gehirn ist es ganz simpel: Leistest du etwas, dann bist du auch etwas “wert”. Dabei hat das nichts mit unserem Selbst zu tun – fühlen wir uns nur wertvoll, wenn andere uns loben oder uns positives Feedback geben, fehlt uns die Selbstbestimmung. Selbstwert ist nicht im Außen verhaftet – er kommt von innen.
Selbstwert ist nicht angeboren oder durch Erziehung festgelegt, sondern entwickelt sich über die gesamte Lebensspanne in der Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst, mit anderen und mit seiner Umwelt. Unser Selbstwertgefühl ist sehr eng mit der Bewertung, die wir uns selbst zukommen lassen, und den Vergleichen, die wir im Alltag ziehen, verbunden. Sich mit anderen zu vergleichen ist wie von der falschen Seite in eine Einbahnstraße zu fahren. Es ist definitiv die falsche Richtung. Selbstwert entsteht u. a. durch Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit ist die Fähigkeit und die Überzeugung, etwas (Positives) zu bewirken, also das eigene Leben beeinflussen zu können. Diese Überzeugung ist sehr wichtig für die subjektive Lebenszufriedenheit, da sich Menschen mit einem hohen Selbstwirksamkeitsgefühl als Akteure und Lenkerinnen ihres Lebens empfinden und sich nicht als Opfer von Umständen oder lediglich Reagierende wahrnehmen. Diese Perspektive macht einen großen Unterschied im Lebensgefühl aus. Nathaniel Branden zeigt anhand von sechs Stützen des Selbstwertgefühls, wie sich das Leben ganz einfach erfolgreicher gestalten lässt. In seinem Buch: “Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls” finden sich die folgenden Aspekte, die seiner Meinung nach wesentlich für das Selbstwertgefühl sind:
- Bewusstes Leben
- Selbstannahme
- Eigenverantwortliches Leben
- Selbstsicheres Behaupten der eigenen Person
- Zielgerichtetes Leben
- Persönliche Integrität
Man weiß heute, dass der Verlust an Integrität mit einem starken Verlust an Lebenszufriedenheit einhergeht. Manchmal machen sich die Menschen das gar nicht bewusst, weil sie sich selbst nie richtig mit den eigenen Werten auseinander gesetzt haben. Man spürt vielleicht nur so eine untergründige Unzufriedenheit mit seinem Leben, kommt aber nicht darauf, dass es etwas mit einem Mangel an Integrität zu tun hat. Es lohnt sich also, sich damit zu beschäftigen und sich über seine Werte klar zu werden und sein Selbstwertgefühl zu stärken. Ich fasse zusammen. Kein Urteil über uns ist wichtiger, als das eigene. Für persönliches Glück und berufliche Karriere gilt ein einfaches Grundprinzip: sich selbst zu fördern.
Zum Abschluss möchte ich dich herausfordern. Ich lade dich ein, dich von den folgenden Fragen inspirieren zulassen:
- Hast du mal ein paar Tage deine inneren Kommentare beobachtet? Wenn nicht, fang damit an.
- Bist du dein bester Freund, deine beste Freundin?
- Welchen Wirkungsgrad hat deine Person?
- Bist du ein freudiger Entscheider, eine Entscheiderin oder wird über dich entschieden?
- Hast du das Gefühl, eine sichere Heimat zu haben?
- Bist du herzlich verbunden?
Selbstwert und Digitalisierung
Verleiht uns das Internet Macht und was hat das mit Selbstwert zu tun? Ich denke, abhängig vom Geburtsland wurden Informationen demokratisiert und haben damit Menschen Macht gegeben. Ich nehme an, niemand wird widersprechen, wenn ich sage, dass die Digitalisierung den Menschen verändert hat. Der heutige Mensch lebt in seiner digitalen Umwelt. Die Reise ging von der archaischen Lebenswelt des Menschen über die epochale (R)Evolution von der Agrargesellschaft, weiter zur Industrialisierung bis zur Wissens- und Informationsgesellschaft.
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Psyche sind allerdings bisweilen markant: Reizsucht und Einsamkeit steigen proportional. Statistiken zeigen, dass zum Teil im Minutentakt auf das Smartphone geschaut, Nachrichten geschrieben und gelesen oder Tweets konsumiert werden. Es vergeht in der Regel kein Tag ohne Internet, wir besuchen z. B. regelmäßig Social-Media-Plattformen, lesen Blogs oder nutzen YouTube.
Wie bildet sich der Selbstwert, wenn wir als vernetzte Menschen in der Abhängigkeit sind, und wir Messages brauchen und fast zwanghaft auf den nächsten Benachrichtigungston eines unserer Medien warten? Was ist mit dem Selbstwert, wenn die “News” ausbleiben? Fühlen wir uns dann vielleicht sogar gelähmt und blockiert, ggf. situativ nicht mehr wichtig, gar ungebraucht? Wir sympathisieren mit virtuellen Freunden, die wir noch nie gesehen haben. Wir zeigen der Öffentlichkeit, was wir essen, wo wir unsere Freizeit verbringen und auf welchen Partys wir die Hosen herunter lassen.
Selbstbestätigung über das Netz. Echtes Selbstwertgefühl ist etwas anderes. Adolph Freiherr Knigge sollte ins digitale Zeitalter gebeamt werden. Die Kommunikation befindet sich im Wandel, privat und kommerziell. Und weil das so ist, setze ich mich auf allen Ebenen für gute, zielgerichtete und sinnstiftende Kommunikation ein. Doch eines dürfen wir dabei niemals vergessen: Kommunikation basiert auf Worten; Worte gründen auf Gedanken; Kommunikation entspringt unseren Gedanken; Gedanken haben mit Bewusstsein zu tun – dem Bewusstsein unserer selbst und unseres Blicks auf unsere Mitmenschen.
Wohl genau deswegen fasziniert mich das Denken von Adolph Freiherr Knigge. Über den Umgang mit Menschen ist ein Werk, das Knigge als Aufklärer zeigt, der mit seinem Werk den Bürgern eine Hilfe an die Hand geben wollte, um sich “am Hofe zurechtzufinden”. Knigge wollte den Bürger zu einem emanzipierten Wesen erziehen, das nicht “am verdorbenen Leben” teilhabe.
Geschichte: Der wahre Wert des Rings
“Meister, ich bin gekommen, weil ich mich so wertlos fühle, dass ich überhaupt nichts mit mir anzufangen weiß. Man sagt, ich sei ein Nichtsnutz, was ich anstelle, mache ich falsch, ich sei ungeschickt und dumm dazu. Meister, wie kann ich ein besserer Mensch werden? Was kann ich tun, damit die Leute eine höhere Meinung von mir haben?”
Ohne ihn anzusehen, sagte der Meister: “Es tut mir sehr leid, mein Junge, aber ich kann dir nicht helfen, weil ich zuerst mein eigenes Problem lösen muss. Vielleicht danach.” Er machte eine Pause und fügte dann hinzu: “Wenn du zuerst mir helfen würdest, könnte ich meine Sache schneller zu Ende bringen und mich im Anschluss eventuell deines Problems annehmen.” “Sehr gerne, Meister”, stotterte der junge Mann und spürte, wie er wieder einmal zurückgesetzt und seine Bedürfnisse hintangestellt wurden.
“Also gut”, fuhr der Meister fort. Er zog einen Ring vom kleinen Finger seiner linken Hand, gab ihn dem Jungen und sagte: “Nimm das Pferd, das draußen bereitsteht, und reite zum Markt. Ich muss diesen Ring verkaufen, weil ich eine Schuld zu begleichen habe. Du musst unbedingt den bestmöglichen Preis dafür erzielen, und verkauf ihn auf keinen Fall für weniger als ein Goldstück. Geh und kehr so rasch wie möglich mit dem Goldstück zurück.”
Der Junge nahm den Ring und machte sich auf den Weg. Kaum auf dem Markt angekommen, pries er ihn den Händlern an, die ihn mit einigem Interesse begutachteten, bis der Junge den verlangten Preis nannte. Als er das Goldstück ins Spiel brachte, lachten einige, die anderen wandten sich gleich ab, und nur ein einziger alter Mann war höflich genug, ihm zu erklären, dass ein Goldstück viel zu wertvoll sei, um es gegen einen Ring einzutauschen. Entgegenkommend bot ihm jemand ein Silberstück an, dazu einen Kupferbecher, aber der Junge hatte die Anweisung, nicht weniger als ein Goldstück zu akzeptieren, und lehnte das Angebot ab.
Nachdem er das Schmuckstück jedem einzelnen Marktbesucher gezeigt hatte, der seinen Weg kreuzte – und das waren nicht weniger als hundert -, stieg er, von seinem Misserfolg vollkommen niedergeschlagen, auf sein Pferd und kehrte zurück. Wie sehr wünschte sich der Junge, ein Goldstück zu besitzen, um es dem Meister zu überreichen und ihn von seinen Sorgen zu befreien, damit der ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte.
Er betrat das Zimmer. “Meister”, sagte er, “es tut mir leid. Das, worum du mich gebeten hast, kann ich unmöglich leisten. Vielleicht hätte ich zwei oder drei Silberstücke dafür bekommen können, aber es ist mir nicht gelungen, jemanden über den wahren Wert des Ringes hinwegzutäuschen.”
“Was du sagst, ist sehr wichtig, mein junger Freund”, antwortete der Meister mit einem Lächeln. “Wir müssen zuerst den wahren Wert des Rings in Erfahrung bringen. Steig wieder auf dein Pferd und reite zum Schmuckhändler. Wer könnte den Wert des Rings besser einschätzen als er? Sag ihm, dass du den Ring verkaufen möchtest, und frag ihn, wieviel er dir dafür gibt. Aber was immer er dir auch dafür bietet: Du verkaufst ihn nicht. Kehr mit dem Ring hierher zurück.”
Und erneut machte sich der Junge auf den Weg. Der Schmuckhändler untersuchte den Ring im Licht einer Öllampe, er besah ihn durch seine Lupe, wog ihn und sagte: “Mein Junge, richte dem Meister aus, wenn er jetzt gleich verkaufen will, kann ich ihm nicht mehr als achtundfünfzig Goldstücke für seinen Ring geben.” “Achtundfünfzig Goldstücke?”, rief der Junge aus. “Ja”, antwortete der Schmuckhändler. “Ich weiß, dass man mit etwas Geduld sicherlich bis zu siebzig Goldstücke dafür bekommen kann, aber wenn es ein Notverkauf ist.”
Aufgewühlt eilte der Junge in das Haus des Meisters zurück und erzählte ihm, was geschehen war. “Setz dich”, sagte der Meister, nachdem er ihn angehört hatte. “Du bist wie dieser Ring: ein Schmuckstück, kostbar und einzigartig. Und genau wie bei diesem Ring kann deinen wahren Wert nur ein Fachmann erkennen. Warum irrst du also durch dein Leben und erwartest, dass jeder x-beliebige um deinen Wert weiß?” Und noch während er dies sagte, streifte er sich den Ring wieder über den kleinen Finger der linken Hand.
Quellen:
Maslowsche Bedürfnishierarchie
Hinterlasse einen Kommentar