„Frauen und Macht“ Wie ich mich durch ein Buch provozieren ließ …

Geschenke sind etwas Großartiges. Manchmal sind es Freunde, die uns etwas schenken und damit genau das Thema treffen, das uns gerade umtreibt. So war es mit dem Buch „Frauen und Macht“ von Mary Beard. Ein kleines Buch, das mich empört hat.

Wie kam das? Mary Beard lehrt an der Cambridge University Alte Geschichte und betrachtet das Thema „Frauen und Macht“ aus historischer Sicht. Das Buch beschreibt, mit welcher Geringschätzigkeit Frauen in gesellschaftlichen Zusammenhängen und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden bzw. wurden. Es zeigt in einem geschichtlichen Abriss, wie Frauen im Lauf der Geschichte systematisch mundtot gemacht und diffamiert wurden und ihnen so der Zugang zur Macht verwehrt wurde. Im Grunde reiht Beard historische Beispiele aneinander, in denen Frauen in der Öffentlichkeit als machtlos erscheinen.

Nach dem Lesen des Buchs fühle ich mich geradezu gezwungen, mich dazu zu äußern. Es gibt mehr Frauen im öffentlichen Raum als je zuvor. Die Frauenbewegung hat viel erreicht; die Zeiten, in denen Frauen kein eigenes Konto führen durften, keinen Führerschein machen bzw. ohne die Zustimmung des Ehemannes nicht arbeiten gehen konnten, sind zumindest in Deutschland vorbei.

Was hat mich an Mary Beards Buch empört? Es ist die Stringenz, mit der Frauen Machtlosigkeit im öffentlichen Raum zugeschrieben bzw. zugestanden wird. Ich behaupte, dass Machtlosigkeit nichts ist, was uns Frauen zustößt. Bei all diesen historischen „Beweisen“ der Machtlosigkeit wird vergessen, dass wir Frauen es auch selbst in der Hand haben, ob und wie wir Macht ausüben.

Was ist Macht bzw. wie wird sie verstanden? Die historische Betrachtung der Machtverteilung von Beard überdeckt aus meiner Sicht, wie Macht noch beschrieben und ausgeübt werden kann. Ich sage: Machiavelli ist „out“ und Dacher Keltner ist „in“. In seinem Buch „Das Macht-Paradox“ zeigt Keltner viele Facetten der Macht und konfrontiert den Leser mit dem eigenen Macht-Verständnis. Laut Keltner manifestiert sich Macht in dem Einfluss, den Menschen auf andere haben. Das wiederum führt in ein „Macht-Paradox“, bei der die Verführung zum Machtmissbrauch als stets drohende Gefahr zu betrachten ist. Eine Gemeinschaft verleiht dem Menschen Macht, der sich mit besonderer Hingabe für die Interessen der Gemeinschaft einsetzt. Keltner schreibt von 4 wesentlichen „universellen sozialen Praktiken“:

  • Mitgefühl empfinden und sich einfühlen
  • Dankbarkeit zeigen
  • Sich großzügig geben und
  • Geschichten erzählen, die Einigkeit stiften

(Keltner, Das Macht-Paradox, Seite 14.)

Verliert diese Person das Gemeinwohl aus den Augen setzt die ihr „verliehene“ Macht nur noch für die eigenen Interessen ein und bedient sich nicht mehr der „universellen sozialen Praktiken“, stellt sich das beschriebene Macht-Paradox ein. In funktionierenden sozialen Gefügen führt dann dieses egoistische Verhalten dazu, dass die Gruppe dieser Person die Macht wieder entzieht.

Ein weiterführender Aspekt der Macht ist das „Selbst“ und der Aufbau desselben als alleiniger und selbst gewählter Impuls. Das Konzept des „Selbst“ als wesentlicher Ausdruck einer Persönlichkeit wird erhellend im Buch von Dorothea Assig und Dorothee Echter „Ambition: Wie große Karrieren gelingen“ beschrieben.
Es bietet u. a. Handlungsempfehlungen und Vorgehensweisen, wie man sich selbst hinterfragen kann und zur Selbstwirksamkeit und damit zu eigener „Macht“ kommt.
Das Buch fordert seine Leser und Leserinnen aber auch heraus! Die eigenen Leistungen hervorzuheben und sich seine Bühne zu suchen, wird als absolute Notwendigkeit angesehen, das eigene Wirken sichtbar zu machen. Das bedeutet, sich immer wieder Mutproben auszusetzen, sich den eigenen Ängsten zu stellen und die Komfortzone in der eigenen Prozesslinie immer weiter auszudehnen. Sich dieser Anforderungen bewusst zu werden und zu sein, bedeutet auch, sich über seine Macht und Wirksamkeit klar zu werden.

In diesem Sinne ist es an jeder Frau und an jedem Mann, sich ihres bzw. seines Machtpotentials bewusst zu werden.